Sozialer Zusammenhalt - Zusammenleben im Wandel
Leerstand als Ressource nutzen
Städte und Metropolregionen sind zu den zentralen Lebensräumen von Menschen geworden. Aufgrund des demografischen Wandels sind viele Regionen in Deutschland und Sachsen-Anhalt von starken Schrumpfungsprozessen betroffen. Aus dem daraus entstehenden Leerstand ergibt sich jedoch enormes Potential: Denn analog zum Verstädterungsprozess wächst auch das Bedürfnis nach Naturerfahrung und Nachhaltigkeit sowie eine Zuwendung zum ländlichen Raum. Im Rahmen von beispielweise Urbaner Gartenbau (auch: Urban Gardening) kommt es so zu einer kleinräumigen, gärtnerischen Nutzung städtischer Flächen, die traditionell vielleicht nicht mit einer landwirtschaftlichen Nutzung assoziiert worden wären.
Nichtgenutzte, öffentliche Räume in Städten wie auch auf dem Land können auf vielfältige Weise bespielt, genutzt und angeeignet werden. Sie bieten wichtige Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung und Entfaltung, aber auch der Zusammenkunft und fördern die Entstehung kultureller, sozialer, grüner oder sportorientierter Freiräume. Insbesondere im ländlichen Raum ist ungenutzter Leerstand eine wertvolle Ressource, die in so mancher Stadt fehlt.
Die Stadtentwicklung Sachsen-Anhalts ist seit Jahren von einem zentralen Phänomen geprägt: Einwohnerschwund. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt sank seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 bis 2019 die Einwohnerzahl in Sachsen-Anhalt von über 2,8 Millionen Menschen auf knapp unter 2,2 Millionen. Das entspricht einem Rückgang von 24 %.
Viele (kleinere) Städte Sachsen-Anhalts schrumpfen und bieten dadurch ein seltenes Potenzial. Was in anderen Städten oft fehlt, ist plötzlich zu viel da, nämlich Landschaft und Freiraum.
Der CBRE-Empirica-Leerstandsindex 2020 hat ergeben, dass für das Jahr 2019 der bundesweite, marktaktive Leerstand bei drei Prozent also ca. 603 Tsd. Geschosswohnungen lag. Mit acht Prozent Leerstand liegt Sachsen-Anhalt im Ländervergleich an erster Stelle.
Die Urbane Farm in Dessau probiert eine urbane Selbstversorgung mit Lebensmitteln auf Brachflächen in Dessau und hat einen Ort geschaffen, der von verschiedenen Generationen und sozialen Gruppen gemeinsam genutzt wird.
Die Künstlerstadt Kalbe verwandelt Leerstand in Künstler*innenateliers und bietet dabei günstigen Raum für Kreativschaffende. Bislang wurden 230 Stipendien an Künstler*innen aus aller Welt vergeben, 14 Wohnungen wieder regulär vermietet, ein alter Theatersaal reaktiviert sowie ein Kulturstammtisch gegründet.
Viel Raum für Neues gibt es auch in Zeitz. Die „Nudel“, wie man das Gebäude unter den Zeitzer*innen nennt, ist eine ehemalige Teigfabrik, die bis 2016 leer stand und nun zu einem kooperativen Maker-Space umgebaut wurde.